Das fertige Mural von SWEETUNO für Stadt.Wand.Kunst
Das Mural „Writing without letters – Part 5“ in der Thomas-Jefferson-Straße 36, 68309 Mannheim
Mit der Silhouette aufragender Baukräne im Hintergrund und dem Sound ratternder Bagger im Ohr hat sich der Graffiti-Künstler Cédric Pintarelli aka SWEETUNO an der Fassade einer ehemaligen Kaserne auf dem Franklin Areal ans Werk gemacht. Und das nicht zum ersten Mal. 2015 hatte STADT.WAND.KUNST den Heidelberger Künstler bereits im Rahmen von „Farbe für Franklin“ eingeladen, um gemeinsam mit zwei weiteren regionalen Talenten die Wände leerstehender Gebäude zu gestalten. Was damals schon klar war: Die Gebäude werden abgerissen, die Kunst ist nur temporär. Genauso klar war aber auch: Die drei Künstler werden wir wieder einladen – dieses Mal, um sich bleibend zu verewigen.
Sieben Jahre später und eine Straße weiter ist es endlich soweit. SWEETUNO steht bei gleißender Sonne und für diesen Sommer typischen Temperaturen um die 30 Grad auf der Hebebühne. Vor ihm eine frisch gestrichene Wand, um ihn herum: ein neu entstehender Stadtteil. „2015 war hier noch nichts, nur leere Kasernen, die Straßen waren wie leergefegt“, erzählt er. Nun entstehen neben älteren Gebäuden unzählige neue Wohnblocks, Straßen-bahnschienen, Einkaufsmöglichkeiten und Parks. „Es ist verrückt wieder hier zu sein, die Gegend hat sich sehr verändert. Es ist schön, dass es als Kontrast zu all dem Neuen auch noch die alten Gebäude gibt. Dass ich eins davon bemalen darf, empfinde ich als ein Geschenk, das ich diesem neuen Stadtteil machen darf.“ Auch wenn er weiß, dass dieses Geschenk vielleicht nicht jedem gefällt, hofft er, dass er den Anwohner:innen einen Moment der Freude und des Staunens bereiten kann, wenn sie in Zukunft durch die neu angelegte Straße laufen oder aus der Straßenbahn schauen, die direkt daran vorbeiführt.
Sein neues Mural gestaltet SWEETUNO – wie schon 2015 – unter dem Titel „writing without letters“. Das sei eine „challenge“, die er sich selbst stellt, verrät uns Cedric Pintarelli. Im klassischen Graffiti liegt das Hauptaugenmerk auf dem Schreiben von Buchstaben, das er virtuos beherrscht. Die Herausforderung auf einer haushohen Wand sei es also, „den Gestus des Schreibens“ beizubehalten, also die Dynamik der Körperbewegung, eine „gewisse Choreographie“ – ohne tatsächliche Buchstaben zu sprühen. Stattdessen entstehen abstrakte Symbole, Formen, geschwungene Linien. Dabei fließen die Eindrücke der Umgebung mit ein: die Baustelle, die Geräusche, die Atmosphäre. Diese abstrahierte Form des Schreibens vollführt SWEETUNO intuitiv im Moment, ohne Entwurf oder Vorlage. „Ich schaue einfach, wo mein Arm, mein Körper mich hinführt. Das passiert losgelöst vom Kopf. Ein extrem befreiendes Gefühl. Ein bisschen wie Free Jazz an der Wand,“ erklärt er uns lachend.
Diese gelöste Stimmung ist dem Künstler anzusehen, wenn man ihm beim Arbeiten zuschaut. Lediglich mit der Sprühdose ist er am Werk, seine Bewegung sind ein tanzender Wechsel von Aktion und Reaktion. Auf diese Weise entwickelt SWEETUNO innerhalb von drei Tagen ein Mural aus abstrakten Formen, starken schwarzen Konturen, roten Akzenten und rotem Rahmen. „Es gibt immer Momente, in denen dich die Kunst überrascht“, sagt der Künstler und schaut auf sein Werk. Freestyle eben!
Text: Johanna Hasse; Fotografie: © Muath Isied / STADT.WAND.KUNST