Interview mit GEORGIA HILL
Die australische multidisziplinäre Künstlerin Georgia Hill war im Sommer 2024 für einen Monat zu Gast bei STADT.WAND.KUNST und hat in den Mannheimer Quadraten ihr Mural „Come Close To Me“ gestaltet. Im Interview mit uns spricht die Künstlerin über Vertrauen in der Kunstszene, die Kraft abstrakter Kunst und die Bedeutung ihres Murals.
Die Künstlerin Georgia Hill im Gespräch mit STADT.WAND.KUNST und der lokalen Presse. Fotos © Daniel Keil
STADT.WAND.KUNST: Als wir dich eingeladen haben, ein Mural für STADT.WAND.KUNST in Mannheim zu malen, warst du sofort begeistert, da du bereits von STADT.WAND.KUNST gehört hattest. Wie hast du von uns erfahren – so weit weg in Australien?
GEORGIA HILL: Viele Künstler*innen, die ich bewundere, haben bereits hier in Mannheim gemalt. Das Internet ist zwar manchmal echt nervig und es gibt zu viele Informationen, aber es ist auch fantastisch, weil es uns ermöglicht, uns so leicht zu vernetzen. So hört man von den Leuten, die Projekte leiten und Festivals und Museen wie STADT.WAND.KUNST organisieren. Wenn man gute Arbeit leistet, hat man halt einen fantastischen Ruf. Ich habe immer eine Liste von Leuten, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde – ihr wart da auch drauf. Wahrscheinlich habe ich euch dann ein wenig zu schnell und zu begeistert geantwortet (lacht).
STADT.WAND.KUNST: Du orientierst dich zur Zeit immer mehr auf Europa, hast einige Zeit in Paris verbracht und bereits Murals in Deutschland gemalt. Hast du den Eindruck, dass sich die Kunstszene und insbesondere die Steet Art Szene in Europa von der in Australien unterscheidet?
GEORGIA HILL: Es gibt definitiv Unterschiede. Ich liebe Australien und die Kunstszene dort. Wir haben einige unglaubliche Street Art Künstler, wie meinen Studio-Nachbarn in Sydney: Fintan Magee, der international sehr, sehr populär ist. Wir alle unterstützen einander. Aber manchmal wird es in Australien auch ein bisschen zu sicher, zu gewohnt. Dann fehlt die Herausforderung. Was mir an Europa so gefällt, ist, dass die Leute wirklich der Kreativität und der Vision des Artists vertrauen. Wenn ich beschreiben müsste, was ich mache, würde ich sagen, es sind große Schwarz-Weiß-Collagenkunstwerke über Gefühle und Verletzlichkeit. Manche Leute wollen das halt nicht – das kann ich verstehen. Aber deshalb bedeutet es mir umso mehr, wenn Kurator*innen und Zuschauende unterstützend und vertrauensvoll sind.
Georgia Hill bei der Arbeit an ihrem Mural in den Mannheimer Quadraten. Fotos © Alexander Krziwanie
STADT.WAND.KUNST: Im Vergleich zu anderen Künstler*innen, die meistens mit einem straffen Zeitplan zu uns kommen, hast du für Mannheim einen ganzen Monat eingeplant. Deshalb haben wir dich in unserer Künstlerwohnung ganz oben im Turm der Alten Feuerwache untergebracht. Wie geht es dir dort oben – mit dem Blick auf Mannheim und ausreichend Zeit?
GEORGIA HILL: Ich liebe es, verschiedene Perspektiven eines Ortes zu bekommen und man braucht Zeit, damit das passiert. Bei einigen Projekten ist man ziemlich gehetzt, steht morgens auf, geht an die Wand, isst zu Abend und geht ins Bett – und das sechs Tage in Folge. Ich bin schon viel gereist, aber die Orte, an denen ich zum Malen war, habe ich nicht wirklich erlebt. Ich habe viele Parkplätze gesehen (lacht), aber ich bin mir sicher, es gab definitiv schönere Dinge zu sehen.
Ich dachte erst, dass es ein bisschen frech ist, vorzuschlagen, dass ich länger bleibe. Ich wollte nicht, dass jemand denkt, dass man mir einen Monat lang die Hand halten muss (lacht). Aber es bedeutet einfach, dass ich wirklich ein Gefühl für den Ort bekomme. Und auch für meine eigene Kunst und Kreativität. Ich liebe Architektur und Texturen und die verschiedenen Gefühle und Reflexionen, die man hat, wenn man an verschiedenen Orten ist. Hier habe ich beides – Studiozeit und Wandmalzeit. Die Turmwohnung in der Alten Feuerwache ist großartig, weil ich dort einen Schreibtisch habe. Der ist bereits ein absolutes Chaos – es gibt viele neue kleine Kunstwerke und Collagen. Dafür habe ich während eines Projektes normalerweise nie Zeit. Ich fühle mich also auf verschiedenen Ebenen sehr erfüllt, weil ich hier an der Wand male, im Apartment male, nette Leute treffe.
“Ich bin zwar keine Schriftstellerin, aber ich höre immer genau zu und sammle Phrasen und Wörter. Manchmal sind es Dinge, die andere Leute sagen. Manchmal ist es etwas, das ich sogar falsch verstanden habe.”
– Georgia Hill
STADT.WAND.KUNST: Lass uns über die kleinen Collagen sprechen, die du gerade erwähnt hast. Wie arbeitest du? Wie sieht dein kreativer Prozess aus?
GEORGIA HILL: Ich fotografiere viel, während ich reise. Ich führe eine Art Tagebuch. Ich bin zwar keine Schriftstellerin, aber ich höre immer genau zu und sammle Phrasen und Wörter. Manchmal sind es Dinge, die Leute sagen. Manchmal ist es etwas, das ich sogar falsch verstanden habe. Was ich am Gespräch mit allen hier liebe, ist, dass manchmal selbst in gebrochenem Englisch etwas sehr Schönes dabei herauskommt, weil die Essenz der Botschaft bleibt. Es ist nicht der korrekte Satz, aber die Bedeutung ist sehr stark.
Ich spiele wirklich gerne mit diesen Worten und verschiedenen Texturen. Ich drucke sie aus oder zeichne sie. Ich manipuliere sie dann physisch, falte und reiße das Papier, und dann mache ich Collagen daraus und fotografiere diese wieder. Ich spiele mit Schwarz-Weiß und der Intensität davon. Es ist also ein sehr praktischer Prozess. Das ist ein Teil meiner Verarbeitung von Erfahrungen. Früher habe ich gesagt, ich möchte keine Arbeit machen, die persönlich ist. Aber ich muss aufhören, das zu sagen, weil mir das Ganze so viel bedeutet. Es zeigt wo ich bin, wer ich bin, wen ich treffe. Und andere Leute schauen es an und fühlen auch etwas dabei. Und das ist, was ich an abstrakter Arbeit mag, dass die Leute ihre eigene Bedeutung hineinbringen. Es liegt nicht an mir, den Leuten zu sagen, wie sie sich fühlen sollen. Die Menschen sehen verschiedene Details oder verschiedene Momente und verbinden sich auf unterschiedliche Weise mit dem Werk.
Georgia Hill bei der Arbeit mit Sprühdose und Wandfarbe. Fotos © Alexander Krziwanie
STADT.WAND.KUNST: Auch für uns bei STADT.WAND.KUNST war es von Anfang an wichtig verschiedene Stile zu zeigen, nicht nur bunte figurative Kunst, sondern auch abstrakte Werke wie deine. Du hast diese Frage wahrscheinlich schon oft gehört, sie ist total simpel, aber extrem spannend: Warum arbeitest du ausschließlich in Schwarz-Weiß?
GEORGIA HILL: Das ist immer noch eine gute Frage. Und meine Antwort darauf verändert sich auch mit der Zeit. Ein Teil davon ist: Ich liebe es einfach. Ich liebe die grafische Natur von Schwarz-Weiß. Ich liebe es, dass es so viel zu spielen gibt, mit Schattierung, Komposition und Typographie. Farben sagen viel, ohne dass man es merkt. Farben haben verschiedene Verbindungen für Leute und setzen einen Ton, eine Stimmung. Wenn ich die Farbe entferne, entferne ich eine Botschaft. Zum Beispiel denken einige Leute, dass Rot leidenschaftlich ist. Ich möchte aber niemandem sagen, dass er oder sie etwas leidenschaftlich fühlen soll. Ich reduziere meine Kunst auf einen sehr, sehr neutralen Zustand in gewisser Weise. Und so zwingt es die Leute, anders zu denken oder zu schauen, ob sie etwas fühlen.
Außerdem habe ich Synästhesie, was bedeutet, dass man unfreiwillig Dinge miteinander verbindet. Ich verbinde Farben mit Worten – und das bringt in meinem Kopf vieles durcheinander. Wenn ich Farbe entferne, sind für mich die Worte wirklich klar. Die Botschaft ist klar. Ich genieße das einfach viel mehr. Es macht für mich Sinn. Und ich versuche natürlich, das zu tun, was mich begeistert und glücklich macht. Und sobald ich aufgehört habe, Farben zu benutzen, war ich glücklich. Also mache ich weiter damit (lacht).
Die Kunst von Georgia Hill ist bereits weltweit zu sehen, hier in der Ausstellung “To Be and Do”, 2023 gemeinsam mit ArtAid in Sydney.
STADT.WAND.KUNST: In deiner Arbeit sehen wir oft Strukturen, die an Felsen oder Landschaften erinnern. Auch in deinem Mannheimer Mural kann man im oberen Teil eine felsartige Struktur sehen. Was interessiert dich daran, natürliche Elemente mit grafischen zu kombinieren?
GEORGIA HILL: Ich mag es sehr, Dinge gegeneinander zu setzen. Ich mache das durch eine Kombination aus Texturen und Phrasen und dem Zusammenfügen von Dingen. Vielleicht passen sie nicht gut zusammen, sie erzeugen eine gewisse Spannung. Es gibt verschiedene Metaphern, die Menschen Felsen und Bergen zuschreiben. So kann etwa dein Leben, einen Moment, wie einen Berg sein – etwas, das du erklimmen, überwinden musst. Es ist eine sehr große Herausforderung, eine Mission. Und andere Leute sehen Felsen als etwas, das erodiert und sich abnutzt. Etwas, wo man zu einem Kern vordringen kann. Und genau das mag ich, diese Fragen durch abstrakte visuelle Darstellungen zu stellen. Es ist eine neue Sichtweise nicht nur darauf, wie ich darüber fühle, sondern auch darauf, wie andere darüber fühlen.
STADT.WAND.KUNST: Du hast schon ein paar Mal erwähnt, dass du gern mit Worten und Typographie arbeitest. Auch in deinem Mural „Come Close To Me“ können wir Worte erahnen. Magst du erzählen, was es damit auf sich hat?
“Come Close To Me”, das Mural von Georgia Hill für STADT.WAND.Kunst in D4, 15 in Mannheim. Foto © Alexander Krziwanie
GEORGIA HILL: Die Worte, die sich in diesem Wandgemälde verbergen, sind “come close to me”. Das war ein Satz, den ein Freund mir einmal sagte. Er versuchte nicht, poetisch zu sein, aber für mich klang es sehr poetisch. Ich wollte diesen Satz verwenden, aber ich musste ihn erst auseinanderbrechen, weil er mir viel bedeutet. In dem Moment dieser Beziehung haben sich die Dinge verändert und es entstand eine Spannung. Das zeigt sich auch in Mural.
GEORGIA HILL: Es sind sehr unterschiedliche Gefühle. Ich liebe die Arbeit im Freien. Im echten Leben bin ich nämlich nicht wirklich die große Persönlichkeit im Raum. Aber es gibt etwas an der Arbeit im Freien, das mir ermöglicht, den Raum einzunehmen. Das ist sehr ermächtigend und gibt mir ein Selbstvertrauen, das ich bereits irgendwo in mir habe. Im Studio hingegen ist alles kleiner, viel persönlicher. Ich muss mich in diesem Prozess mehr um mich selbst kümmern, weil es verletzlicher und ehrlicher sein kann. Je älter ich werde, desto weniger habe ich Probleme damit, verletzlich und ehrlich zu sein. Als ich anfing, Wandgemälde zu malen, war ich so aufgeregt, dass ich alles gemacht habe, was andere wollten. Und jetzt weiß ich viel besser, was ich will und worüber ich sprechen möchte. Es ist ein schönes Gefühl, das festzuhalten und dass Leute mich ermutigen, das auch zu tun.
Interview geführt von Johanna Hasse / Fotos von Alexander Krziwanie und Daniel Keil